Letzte Woche hat die sog. Regierungskommission Corporate Governance Kodex die neuesten Änderungsvorschläge zum Kodex vorgestellt und zur Konsultation eingeladen. Uns sollen hier nur zwei Vorschläge interessieren, die ich allerdings äußerst bemerkenswert finde.
Schon in der Präambel soll es künftig heißen:
Der Kodex verdeutlicht die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, im Einklang mit auch ethisch ausgerichteten Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft für den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen (Unternehmensinteresse). Diese Prinzipien verlangen nicht nur Legalität, sondern fragen darüber hinaus nach der Legitimität von Verhalten und von Entscheidungen und fordern insoweit Verantwortung (Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns).
Auch die Begründung möchte ich hier im Volltext zitieren:
Die Regierungskommission hat beschlossen, die Präambel um eine deutliche Leitbotschaft zum Thema ethisches Verhalten zu erweitern. Kapitalgesellschaften sollen so geführt werden, dass durch sie ein betriebswirtschaftlicher wie gesamtwirtschaftlicher Nutzen entsteht.
Marktwirtschaft ist ein auf Freiheit gegründetes, wertebasiertes System, dessen Funktionsfähigkeit auf Vertrauen beruht, dass allgemein anerkannte ethische Grundsätze im Wirtschaftsleben beachtet werden. Das ist letztlich das Verhalten ehrbarer Kaufleute, die auch ohne gesetzliche oder festgelegte Regelungen wissen, was man tun darf und was nicht, und die ihr Verhalten daran ausrichten. Vertrauen muss immer wieder gewonnen und erhalten werden.
Legalität ist dafür eine wichtige, essentielle Voraussetzung, sie reicht aber nicht aus. Der Ehrbare Kaufmann wird verstanden als Leitbild, das sich fortlaufend weiterentwickelt.
Natürlich ist der Kodex nur sog. soft law, allerdings eines das über § 161 AktG Eingang in das geschriebene Recht (hard law) gefunden hat und bei seiner Verletzung zwar keine Haftung auslösen soll, aber immerhin nach dem BGH die Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen begründen kann. Der Kodex ist also sicher mehr als nur ein wohlmeinender Rat, wie man es richtig machen könnte.
Hinzu kommt, dass die Mitglieder der Kommission allesamt ausgewiesene Experten in Theorie, vor allem aber Praxis sind. Ihnen kann daher nicht unterstellt werden, sie wollten mit dem Vorschlag ein praxisfernes, schöngeistiges, quasi caritatives Element in die Unternehmensführung einführen.
Meines Erachtens ist damit Compliance als nur Legal Compliance endlich auch in Deutschland zu Grabe getragen worden und ganz im Sinne des jüngst veröffentlichten Papiers “Unternehmensintegrität & Compliance – was wirklich wichtig ist” der Gleichrang von Compliance und Integrität als der Compliance 2.0 etabliert worden.
Neben diesem Meilenstein verblasst der Änderungsvorschlag in Ziff. 4.1.3. mit den neuen Sätzen 2 und 3 etwas:
Zu diesem Zweck sorgt er für ein angemessenes, an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtetes Compliance Management System und soll dessen Grundzüge im Corporate Governance-Bericht offenlegen. Beschäftigten und Dritten soll auf geeignete Weise die Möglichkeit eingeräumt werden, geschützt Hinweise auf Fehlverhalten im Unternehmen zu geben.
soll aber hier natürlich nicht unterschlagen werden.
Richtig, es handelt sich bislang nur um einen Vorschlag, allein mir fehlt die Phantasie, wie man den “ehrbaren Kaufmann” wieder wegdiskutieren will. Deshalb, herzlich willkommen im neuen Zeitalter der Compliance in Deutschland!
2 Gedanken zu “Corporate Governance meets Integrity & Compliance”
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